Hans-Peter Durst Doppelweltmeister

Nottwil – Hans-Peter Durst wird bei den Paracycling Weltmeisterschaften in Nottwil im Straßenrenn und im Einzelzeitfahren jeweils Weltmeister. Die Paracycling Weltmeisterschaft – der erklärter Saisonhöhepunkt von Hans-Peter Durst ist Geschichte – lebendigere Geschichte als er sich dies erhofft und vor allem gewünscht hatte.
Aber lassen wir unseren Doppelweltmeister selber berichten.

Die Vorbereitung auf diesen Event – ist es doch die WM vor den Paralympics in Rio 2016 – war aus meiner Sicht nicht zu toppen.
Sowohl mein Stützpunkttrainer vom OSP Rheinland und Radsportverband NRW Robert Pawlowsky als auch in Absprache Bundestrainer Patrick Kromer aus Reute/Baden stellten mich perfekt ein, die vom Deutschen Behindertenverband genehmigten Trainingsmaßnahmen wurden konkret darauf abgestimmt.
So konnten wir geduldig und ausdauernd Grundlage auf Mallorca im Frühjahr trainieren – nach Leistungsdiagnostik danach rund um Sportmund die Form für die frühen Rennen in Italien (C1 Rennen Verola Nuova und Brescia) erarbeiten um dann die Spitzen im oberschwäbischen Ummendorf für die beiden Weltcupwetbewerbe in Maniago/Italien und Yverdon/Schweiz herauszukitzeln.

Dabei wurde nie das Saisonziel Titelverteidigung in Nottwil aus den Augen verloren – zwischen den beiden Weltcups wurde die WM-Strecke sowohl trainingstechnisch seziert bis ich sie lieben gelernt hatte, dazu psychologisch aufgearbeit mit der „Unmittelbarkeit des Erlebens“ – Technik – für mich hieß das mir die einzelnen Streckenabschnitte in mentale Bilder malen um sie somit leichter in meiner Wahrnehmung aufnehmen zu können – meine Mentaltrainerin vom OSP Rheinland Grit Moschke ist seit Jahren darauf spezialisiert.

Durch die beiden Siege im Heimweltcup Elzach 1 Woche vor der WM in Nottwil war die Favoritenrolle auch nicht mehr wegzureden – ich habe diese gerne angenommen und sie mir zum „Freund“ gemacht.

Auch die „Störmanöver“ aus Italien eines Sportlers, der gegen alle regulären Widerstände in unserem so schönen Parasport Fuß fassen wollte, brachten mich nicht aus der Fassung.
Sein positiver Dopingbefund nach einer Heimkontrolle wurde von der nationalen Antidoping Agentur in Italien zurückgezogen – er hätte also starten können beim Weltcup in Elzach und der WM.
Davor stand aber noch die internationale Klassifizierung unseres Weltverbandes UCI durch die professionelle Kommission von Ärzten, Physiotherapeuten und spezialisten für unsere sportart-individuellen Beeinträchtigungen beim Paracycling.
Diese Kommission hat ihn letztendlich für für die Klassifikation T2 – Dreirad zugelassen – ich denke die von ihm selbst in Umlauf gebrachten Bilder sprechen dafür eine deutliche Sprache.

Ich konnte dieses Thema trotz der an mich persönlich gerichteten „bösen“ Briefe und Beschimpfungen recht gut ausblenden und mich im Höhentrainingslager als auch in den Tagen nach Elzach sehr konzentriert vorbereiten.

Am Donnerstag war es dann soweit – nach der verregenten Eröffnungsfeier und des Teamrelays am Mittwoch Abend schien für uns Athleten die Sonne am Sempacher See – mein Start im WM Einzelzeitfahren war auf 10:12 Uhr terminiert – als letzter Starter meines Feldes T2 Dreirad – meine Lieblingsposition !!

Unser Co-Trainer Jan Ratzke verfolgte mich auf der Strecke im Begleitfahrzeug und wir hatten ausgemacht mich nur motivierend anzuhupen, wenn ein Plus ihm per Funk zugesprochen wurde – plus in diesem Fall der Rückstand auf einen vor mir gestarteten Athleten.
Da ich die Strecke in Bildern im Kopf und per Datenerfassungsgerät von SRM Meter für Meter abrufen konnte startete ich sehr zuversichtlich und genau nach Vorgabe – die 305 Watt nicht überschreiten bis eben ggf. ein Hupzeichen kommt.
Kurz vor den letzten 2 angezeigten Kilometern konnte ich dann noch in die Übersäuerung gehen und meine Beine die getretenen Wattzahlen über 400 anzeigen lassen – so benötigte ich für die 1. hügelige Runde 12:41 Minuten und die 2. dementsprechend etwas schneller in 12:19 Minuten was für die gefahrenen 14 Kilometer 25:0082 Minuten ergab in einem Schnitt von 35:58 km/h.

Mein Freund Giorgio Farroni aus Italien und der immer starke US-Amerikaner Ryan Boyle komplettierten das Podium.

Der Freitag wurde zur aktiven Erholung und Regeneration genutzt – auch zur mentalen Vorbereitung auf das von mir immer noch nicht so perfekt beherrschte Straßenrennen – die Rennerfahrung kommt zwar besser und besser – aber..

Leider wurde ein Mitfavorit krank und konnte nicht starten – David Vondracek aus Tschechien und mein so vermisster Freund und Paralympics Sieger Straße von London David Stone gönnt sich in diesem Jahr eine Auszeit.

Samstag Morgen 11:00 Uhr – Startaufstellung im Leichtathletikstadion Nottwil – eine ganz besondere Kulisse – heute leider wieder im Regen – was meiner Motivation aber nicht geschadet hat.

Durch die schnellen, engen und recht schrägen Kurven war die Taktik klar – möglichst schnell eine Lücke reißen und mit wenigen Fahrern diese Passagen angehen.
Dies gelang Giorgio Farroni, Nestor Ayala Ayala und mit recht gut, leider wollte dann am Berg keiner so richtig die Nase in den Gegenwind stecken – Ryan Boyle fuhr die dezimierte Verfolgergruppe wieder heran.

In der 3. Runde wollte ich die Vorentscheidung am Berg selbst „erzwingen“ und attackierte, nur Giorgio und Nestor konnte an meinem Auffahrschutz bleiben.

Somit war ziemlich klar – die Stadionrunde mit der schnellen Einfahrt vom Bühl musste es bringen – wahrscheinlich sogar ein Sprint.

So kam es, Nestor attackierte nochmals auf der letzten Geraden vor der superschnellen Rechtskurve hinein ins Stadion – ich konnte dagegenhalten und als erster in die Kurve fahren – hinunter ins Stadion und auf dem roten Teppich in die Stadionkurve links – dann verliert sich meine eigenen Erinnerung – vom Trainergespann Patrick Kromer und Jan Ratzke wurde es mir wie folgt berichtet – Giorgio ist links von mir offensichtlich zu schnell in diese Kurve und driftete nach rechts aussen, offensichtlich hat er wohl mit seinem Vorderrad in mein hinteres linkes Laufrad eingefädelt und ist gestürzt – Nestor und ich sind unbeschadet auf die Zielgerade nach dem 50 Meter Schild gekommen und parallel gesprintet – mit 4 Hundersteln oder etwa 10 Zentimetern Vorsprung konnte ich meinen ersten Straßenweltmeistertitel verteidigen – Weltmeister 2015 !!

Leider hat mich der Kolumbianer dann wohl durch schwindende Kräfte unmittelbar nach der Ziellinie mit ca. 48 km/h von der linken Seite ungebremst in die massive Absperrung geschoßen – durch zunächst frontal von vorn und im 2. Ausheber von hinten prallte mein Kopf – gut behelmt vom Netzwerkpartner Abus in Wetter – 2 mal an das Eisen – ich verlor das Bewusstsein und musste aufgrund einer diagnostizierten Gehirnerschütterung sofort in die Intensivstation zur Überwachung der Paraplegikerklinik Nottwil.

Somit fand die Siegerehrung nur mit den Platzierten statt – die Deutsche Nationalhymne wurde gespielt .

Was bleibt – leider ohne Erinnerung an mein Straßenrennen – ist die Tatsache, dass ich im überaus erfolgreichen DBS-Paracycling-Nationalteam (wir konnten die Nationenwertung mit 21 Medaillen vor den USA mit 18 u Italien mit 15 gewinnen ) als erfolgreichster Einzelathlet 2 Goldmedaillen zu unseren errungen 6 Siegerplatzierungen beitragen konnte – und durch die vielen mir zugesendeten Bildern und Berichten ist es ja fast als ob ich das Ende selbst erlebt habe !!

Der Pechvogel der WM ist für mich mein italienischer Freund Giorgio – viel Arbeit geleistet im Straßenrennen, gestürzt in aussichtsreicher Position, aufgerappelt und die 50 Meter mit dem Rad (wie einst Jens Fiedler auf der Bahn) ins Ziel geluafen und kurz vor der Ziellinie überrollt vom US-Boy Ryan Boyle, der sich hinter Nestor Ayala Ayala die Bronzemedaille sicherte.

Eine wunderbare, perfekt organisierte Paracycling WM ging zu Ende – ich konnte gestern nach Rücksprache mit unserer Verbandärztin Dr. Anja Hirschmüller die Heimreise im Caddy gefahren von Ulrike antreten und werde mich hier in bewährter Form im Klinikum Nord weiterbehandeln lassen – es gibt nach den Röntgenuntersuchungen keine Brüche an den Händen, Fingern, Schulter, Jochbein und Gesäß – nur Weichteilprellungen und eben die Gehirnerschütterung.

Diese beiden gewonnen Titel als Einzelzeitfahr – und Straßen-Weltmeister darf ich nun bis Ende 2017 tragen – im paralympischen Jahr gibt es für uns leider keine WM – da eröffnet sich bereits heute die Frage – ist das mögliche Rennen in Brasilien wirklich mein Letztes gegen die Uhr ….aber zunächst jetzt Ruhe und ganz vorsichtig daran denken …auf dem Weg nach Rio 2016.

Anfang September geht es ja dann noch zum Weltcup Finale nach Pietermoritzburg in Süd Afrika – ein schöner Abschluß für mich – konnte ich dieses Trikot doch noch nie am Ende der Saison überstreifen.

Alle Fotos Rechte frei „Oliver Kremer (www.pixolli-studios.com)“
(Hans-Peter Durst und Josef Göttlicher)

Zielsprint-Weltmeister-2015-Straße
Startaufstellung zum Straßenrennen
Rasante Kurvenfahrt
Nur 3 Sekunden Freude – Unfallchirurgin Dr. Anja Hirschmueller unmittelbar als Ersthelferin
Nachgeholte-Siegerehrung – mit Brummschädel und etwas Traurigkeit
Mit Blick auf die Deutsche Fahne
Grosse Freude Weltmeister 2015 im Einzelzeitfahren
Rasante Kurvenfahrt beim Einzelzeitfahren