Hallo liebe Mitglieder des RSV-NRW, mein Name ist Ben Zwiehoff und ich bin Radprofi fürs deutsche WorldTour-Team Bora-Hansgrohe. Ich habe den Radsport in NRW von Klein auf kennengelernt und bin seit über 20 Jahren Mitglied eines Vereins des Radsportverbands. Mit diesem Blogformat möchte ich ein wenig meiner Erfahrung an alle radsportbegeisterten Menschen weitergeben. Meine zahlreichen Renneinsätze auf der Straße, auf dem Mountainbike, auf dem Crossrad und sogar einmalig auf dem Bahnrad bieten dafür die Grundlage. Viel Spaß beim Lesen! Das heutige Thema ist „Wintertraining der Profis – wie man die kalten Monate in Deutschland übersteht und trotzdem jede Menge Spaß am Radfahren hat“.
Der goldene Oktober ist vorbei und ziemlich plötzlich kommt der liebe Wettergott mit der ersten Kaltfront des Winters. Für uns deutsche Profis gibt es dann zwei Möglichkeiten. Wie die Kraniche den Weg gen Süden antreten oder die Zähne zusammenbeißen und das Training in Deutschland durchziehen. Für mich persönlich hat sich eine Kombination aus beidem als sinnvoll erwiesen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass eine gewisse Gewöhnung an das schlechte Wetter durchaus von Vorteil sein kann, wenn man sich beispielsweise auf Rennen wie den Giro d’Italia konzentriert. Denn kennt der Körper das Gefühl von Kälte gar nicht mehr, wird es umso schwerer im Rennen damit umzugehen. Insofern starte ich gerne mit meinen ersten Trainingsblöcken in Deutschland und mache dann die langen Einheiten im Süden (meist auf Mallorca). Für die meisten Radsportler, die nicht das Privileg besitzen professionell fahren zu dürfen, wird es zumeist auch auf ein Wintertraining in der Kälte hinauslaufen. Doch wie kann man das Meiste aus diesem Training im kalten Deutschland herausholen? Um diese Frage zu beantworten, habe ich folgende Tipps für euch:
- Gute Klamotten und Schutzbleche! Für all die Tage, die wettertechnisch irgendwo zwischen kalt und kalt mit Schauer liegen, kann ich nur dazu empfehlen auch mal auf die eigene Eitelkeit zu verzichten. Natürlich gehört zum Rennradfahren auch ein gewisser Style. Das macht unseren tollen Sport auch mit aus. Aber die hippen Sommerklamotten sollten bei Temperaturen um den Gefrierpunkt doch im Schrank hängen bleiben. Wichtig sind aus meiner Sicht drei Dinge: den Kopf vernünftig zu wärmen, gute Handschuhe sowie Überschuhe zu besitzen und ggf. mal ein paar Euro in ein gescheites Winterunterhemd zu investieren. Ach apropos Style: ich weiß, dass es schmerzt sein teures Rennrad mit Schutzblechen zu verunstalten. Aber gut montierte Schutzbleche sorgen dafür, dass man wirklich nur von oben nass wird, und das ist schon mal die halbe Miete im Winter.
- Nicht zu schnell losfahren im Winter: hat man erstmal die Motivation gefunden und sich in seine warmen Klamotten gekämpft, so geht man meist voller Tatendrang nach draußen und fährt mit voller Energie los. Hier ist weniger aber definitiv mehr. Denn wer in den ersten 20 Minuten seines Trainings schon alle Klamotten durchschwitzt, wird sobald die Kräfte etwas nachlassen, früher oder später anfangen zu frieren. Mein Tipp daher: immer etwas entspannter als im Sommer ins Training starten und lieber in der letzten halben Stunde ein wenig das Tempo erhöhen. Das steigert das objektive Wohlergehen auf dem Rad und sorgt am Ende sogar dafür, dass man es länger durchhält.
- An Alternativen denken: natürlich lieben wir Radsportler das Training auf dem Rad. Es gibt aber wirklich Wetterbedingungen, bei denen wir rein trainingstechnisch mehr Schaden anrichten können, als dass wir einen Effekt erreichen. Deswegen ist es auch kein Zeichen von Schwäche, wenn man das Rad bei Schnee und Eis stehen lässt. Viele meiner Kollegen aus Süddeutschland gehen stattdessen auf die Ski, bei uns in NRW ist das logistisch eher schwierig. Deswegen schnüre ich mir auch oft die Laufschuhe , mache Krafttraining, gehe wandern oder fahre kurze, aber intensive Programme auf der Rolle. Auch wenn da manchmal die Umfänge etwas zu kurz kommen, hat man einen besseren Effekt, als wenn man aufgrund von Schnee und Eis stürzt oder krank wird!
- Gut verpflegen bei Kälte! Der Körper braucht viel Energie um die Kälte auszugleichen. Dazu kommt der Energiebedarf des Trainings! 80 Gramm Kohlenhydrate in der Stunde sind daher wärmsten zu empfehlen!
- Spaß haben! Das Wichtigste am Radsport ist der Spaß! Meine Tipps sollen dazu dienen, das Radfahren in den Wintermonaten angenehmer zu machen. Je weniger man sich mit den Folgen des kalten Wetters beschäftigen muss, desto mehr Spaß und Freude hat man auf dem Rad! Und das ist schließlich das Wichtigste am Sport – der Spaß!
Ich hoffe euch hat das Lesen meines ersten Blogs hier auf der Seite des Radsportverbands NRW gefallen! Ich danke dem RSV für die Möglichkeit hier in regelmäßigen Abständen euch mit Tipps, aber auch witzigen Anekdoten aus dem Profizirkus zu versorgen!
Fahrt vorsichtig, bleibt gesund und bis zum nächsten Mal!
Euer Ben