Köln – Ab sofort erinnert ein «Stolperstein» in der Sömmeringgasse 70 in Köln-Ehrenfeld an Radweltmeister Albert Richter. Der Künstler Günther Demnig hat den Gedenkstein am Wochenende begleitet von zahlreichen Besuchern und Mitgliedern der Kölner Radsportvereine verlegt. Albert Richter war Anfang 1940 Opfer der Gestapo geworden, die damit die Ausreise des regimefeindlichen Sportlers in die Schweiz verhinderte.
Albert Richter wurde als jüngster Sohn einer Arbeiterfamilie 1912 in Köln-Ehrenfeld geboren. Mit knapp 20 Jahren wurde er überraschend in Rom Amateur-Weltmeister im Bahnsprint. Anschließend wechselte er zu den Profis, was ihm dazu verhalf, in einer wirtschaftlich schlechten Zeit überdurchschnittlich gut zu verdienen und damit auch seine Familie mit Eltern und zwei Brüdern finanziell zu unterstützen. Nach seinem Titelgewinn und bis zu seinem Tod war Richter der herausragende Sprinter-Star Deutschlands. Dem WM-Titel folgten allerdings nur noch Vize-Weltmeisterschaften. Herausragender Sprinter der 30er Jahre war der Belgier Jef Scherens, der allerdings auch Richters bester Freund war.
Richter stand den nationalsozialistischen Machthabern kritisch gegenüber. So verweigerte er mitunter den Hitlergruß sowie das Tragen eines Trikots mit Hakenkreuz. Er bezeichnete die Nazis als Verbrecherbande. Außerdem hielt er entgegen damaligen Bestimmungen an seinem jüdischen Manager Ernst Berliner fest. In der Folge hatte die Gestapo begonnen, Druck auf seine in Köln lebenden Eltern auszuüben. Richter sollte nach Kriegsbeginn für Deutschland im Ausland spionieren. Dies veranlasste den Rennfahrer Ende 1939, Deutschland für immer Richtung Schweiz zu verlassen. Bei dieser letzten Reise wollte er zusätzlich für einen anderen jüdischen Freund rund 13.000 Reichsmark mitnehmen, die dieser ihm anvertraut hatte.
Am Grenzübergang Weil am Rhein wurde das Geld jedoch gefunden und Richter inhaftiert. Grund dafür war wahrscheinlich Verrat. Am 3. Januar 1940 wurde Richter tot in seiner Zelle im Gefängnis von Lörrach aufgefunden. Die offizielle Version lautete Selbstmord. Es gibt jedoch Zeugen, die von Blutspuren sowie Einschusslöchern am Leichnam berichten. Der Familie wurde zudem verboten, den Sarg Richters noch einmal zu öffnen, was ebenfalls dafür sprach, dass Richter in Lörrach ermordet wurde.
Die regimetrue Verbandszeitung schrieb nach seinem Tode: „Sein Namen bleibt für alle Zeiten in unseren Reihen gelöscht.“ Diese Drohung blieb lange Zeit Realität, bis die Hamburger Filmemacher Raimund Weber und Tilmann Scholl sich Ende der 80er Jahre auf die Spuren von Richter begaben. Inzwischen wurden die Radrennbahn in Köln sowie ein Nachwuchswettbewerb des Bundes Deutscher Radfahrer nach Albert Richter benannt und unter dem Titel «Der vergessene Weltmeister» ein Buch über ihn geschrieben. Im vergangenen Jahr wurde Albert Richter außerdem in die «Hall of Fame des deutschen Sports» aufgenommen.
Albert Richter, so die Frankfurter Allgemeine Zeitung, war ein Sportler, der «durch seine kompromisslose Art und seine Zivilcourage an einer verbrecherischen Zeit zugrunde ging». Daran erinnert jetzt ein «Stolperstein» in der Sömmeringgasse 70. Das Haus mit der Nummer 72, in dem Richter aufwuchs, steht heute nicht mehr.