Hubert Rosiejak wird 80 – Ein Leben rund ums Rad

Hubert Rosiejak, Foto: Stefan Schwenke
Hubert Rosiejak, Foto: Stefan Schwenke

Herten-Westerholt – Einer der bekanntesten deutschen Radsportfunktionäre feiert heute, am 10.06.2016, seinen 80. Geburtstag. Vorsitzender, Schatzmeister, Präsident, Organisator, Kommissär, Moderator – kaum einer war in seiner radsportlichen Laufbahn so universell einsetzbar wie der gebürtige Gelsenkirchener, der seit 1972 in Westerholt zuhause ist. Kaum ein anderer hat so viel erlebt und so viel zu erzählen wie er. Sein Motto ist stets „Nicht jammern – machen!“ Für manche seiner Weggefährten war das vorgegebene Tempo anspruchsvoll, aber wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann musste es halt auch so sein.

Bereits sehr früh wurde Rosiejak vom Radsportvirus infiziert. Mit dem Rennrad seines Onkels fuhr er die ersten Rennen im Nachwuchsbereich und konnte auch regional einige Siege erringen. In den schweren Jahren nach dem Krieg war er auf sich allein gestellt und hat bei dem damaligen Fahrradgroßhandel Fischer in Gelsenkirchen den Beruf des Großhandelskaufmanns im Zweiradbereich erlernt. Noch während der Lehre wurde er mit größeren Aufgaben betraut. Dies sollte sich in den späteren Jahren immer wiederholen. Erst im regionalen Außendienst, wurde sehr schnell eine Person auf ihn aufmerksam, die sein weiteres Leben mit beeinflusste. Der damalige weltweite Exportleiter der Zweirad Peugeot suchte für die Deutschlandniederlassung in Radevormwald Außendienstmitarbeiter. Schnell wurde man sich einig und so war Rosiejak 32 Jahre für die Peugeot Zweirad in halb Westdeutschland unterwegs. Sein Chef sollte später einmal BDR-Präsident und einer seiner engsten Vertrauten werden. Manfred Böhmer und Hubert Rosiejak sind bis heute befreundet.

Schon 1952 war Rosiejak als Jugendlicher einer der Gründungsmitglieder des Radsportvereins „Pfeil“ Erle in Gelsenkirchen, den er später für viele Jahrzehnte leitete und seinen Stempel aufdrückte. Bald entdeckte er seine organisatorischen Fähigkeiten. Noch keine 25 Jahre alt, organisierte er die NRW-Landesmeisterschaften in Gelsenkirchen. Daraus wurde eine der bekanntesten Gelsenkirchener Sportveranstaltungen geboren, die fast vierzig Jahre fester Bestandteil des Sommerfestes wurde – der „Große Preis der Stadt Gelsenkirchen“ auf der Adenauerallee vor den Toren von Schloß Berge. Die Runde galt lange als einer der schönsten Strecken in Deutschland.

Von Anfang an war es nicht nur ein Radrennen, sondern schon ein „Event“, wie noch keiner dieses Modewort kannte. Mit gerade einmal 30 Jahren holte Rosiejak Profis wie Junckermann, Kunde oder Wolfshohl in die „Stadt der 1000 Feuer“. Seinerzeit die deutschen Radstars bei der Tour de France. Eine Werbekarawane und Verlosungen von Flugreisen sorgten für tausende Zuschauer am Berger See. Gute Kontakte in die Niederlande ermöglichten, dass holländische Majorettencorps auf der Adenauerallee marschierten, selbst der Zielwagen mit der Technik kam aus dem Nachbarland. Spitzenmannschaften aus den Niederlanden, Belgien, Frankreich, Dänemark und Großbritannien waren schon früh zu Gast. Ergänzt durch den „Dieler & Co. Preis“ auf der Cranger Straße am Vortag gehörte das Wochenende zu den bedeutendsten und bekanntesten Rennen in Deutschland. Noch keine 30 Jahre alt, nutzte Rosiejak seine Kontakte und holte die Deutschland-Rundfahrt nach Gelsenkirchen. Der „Deutschland-Pokal“, das „Kriterium der Asse“, Radcross um den Berger See und die Deutsche Meisterschaft im Straßenvierer 1980 sollten folgen. Gelsenkirchen war zu einer der Radsporthochburgen geworden.

Aber auch auf einem anderen Gebiet ging er neue Wege. Kurzfristig fehlte bei einem Rennen ein „Ansager“. Mit gerade mal 20 Jahren drückte man ihm das Mikro in die Hand und eine neue Karriere startete. Mit einem mal war das reine Vorlesen der Start- und Ergebnislisten vorbei und Rosiejak „moderierte“ als einer der ersten in Deutschland Radrennen. Er erklärte den Sport stets aus der Sicht der Zuschauer für die Zuschauer, ohne je den Respekt für die Aktiven zu verlieren.

Generationen von Radrennfahrern wurden von ihm begleitet. Die Verpflichtungen wurden immer mehr und so war Rosiejak mit seinem Peugeot Renndienstwagen und eigener Lautsprecheranlage (vom damaligen Gelsenkirchener Rundfunk- und Fernsehtechniker Tente konstruiert) mit Schiebermütze und Handmikrofon in ganz Nordrhein-Westfalen unterwegs.

Es dauerte nicht lange und es folgten die ersten deutschen Meisterschaften. 1971 gab es dann einen Anruf aus München und er wurde offizieller deutscher Sprecher der Radsportwettbewerbe der Olympischen Spiele 1972 – mit gerade einmal 36 Jahren. Hubert Rosiejak gehörte somit zum Team rund um „Chefsprecher“ Hans-Joachim Fuchsberger. Hautnah erlebte er das Drama rund um die israelische Mannschaft mit, was er bis heute nicht vergessen hat, denn bei den Testevents Monate vorher, war er in der „Conoly-Straße“ untergebracht, in der dann das Geiseldrama stattfinden sollte.

Seitens des Bundes Deutscher Radfahrer wurde er 1978 und 1991 als nationaler Sprecher für den Zielbereich der Radweltmeisterschaften in Deutschland verpflichtet. Lange Zeit informierte er die Radsportfans als Hallensprecher bei den 6-Tage-Rennen in Münster und Dortmund, zuletzt mit Herbert Watterott, dem ARD Tour de France Kommentator. Ein weiterer Höhepunkt zum Ende seiner Sprecherkarriere war die Neuauflage der „Deutschland-Tour“ 1999. So kamen rund 1500 Veranstaltungen zusammen, die auf Rosiejak als Moderator zählten.

Auch auf Funktionärsebene packte er immer an, wenn es nötig war. Als junger Vereinsvorsitzender wurde er schnell auch zum Vorsitzenden des Radsportbezirks Münster (später Nord-Westfalen) berufen und unterstützte Vereine im Regierungsbezirk Münster fast drei Jahrzehnte, bis er den Vorsitz an seinen Sohn Stefan weitergab. Mit dieser Funktion war auch die Mitarbeit im Vorstand des Radsportverbandes Nordrhein-Westfalen verbunden. Als 1966 der damalige Finanzverantwortliche mit der Kasse des Verbandes durchbrannte und die Zukunft des Verbandes extrem gefährdet war, wurde der 30jährige Schatzmeister im Verband und brachte das Schiff – nicht zum letzten Mal – wieder in ruhiges Fahrwasser. Nach sieben Jahren übergab er die Finanzen des Verbandes wieder in geordneten Verhältnissen.

Als der Radsportverband Anfang der neunziger Jahre wieder gefährdet und finanziell fast am Ende war, holte man ihn als Präsidenten zurück. Auch hier hieß es wieder „nicht jammern – machen“. Mit teilweise schmerzhaften Einschnitten rettete er mit einem kleinen Team bei vielen Sitzungen bis spät in die Nacht und bis an die Grenze des gesundheitlich machbaren den Dachverband der Radsportvereine zwischen Rhein und Weser. 2001 übergab er einen geordneten Verband an seinen Nachfolger und hat somit auch sein Scherflein dazu beigetragen, dass nun Sportler des Radsportverbandes NRW an olympischen Spielen teilnehmen können.

Mittlerweile bundesweit bekannt holte er vier mal die Bundeshauptversammlung des BDR nach Gelsenkirchen, das erste Mal 1966. Schon früh brachte sich der modern denkende Funktionär in die Zukunftsgestaltung des Bundes Deutscher Radfahrer ein, was ihm nicht nur Freunde bescherte. Heute unvorstellbar, mussten Amateur-Sportler Werbung auf der Sportkleidung noch in den siebziger Jahren unkenntlich machen oder sogar abkleben. Durch seine Besuche in den Nachbarländern kannte Rosiejak das Prinzip der Sportgruppen mit semiprofessionellem Charakter. Mit viel Überzeugungsarbeit und wiederum stundenlangen Sitzungen bis in die Nacht, konnte er sich schließlich durchsetzen und die Renngemeinschaften wurden geschaffen. Auch für die Vereine war Werbung für Sponsoren auf dem Trikot dann doch möglich. Erst durch die Schaffung der Renngemeinschaften konnte auch das Konzept der „Rad-Bundesliga“ in den achtziger Jahren umgesetzt werden, die bis heute rollt. Rosiejak kann man somit durchaus als einen der Väter oder

sogar den Vater der Bundesliga bezeichnen. Die Rad-Bundesliga begleitete er dann auch viele Jahre als Kommissär (Schiedsrichter) und Radio-Tour-Sprecher, dem Team Informationsdienst im Rennen.

Er konnte 1990 erfolgreich die Prüfung zum „nationalen UCI-Kommissär“ des Weltradsportverbandes ablegen und leitete in dieser Funktion zahlreiche nationale und internationale Spitzenveranstaltungen oder führte Antidoping-Kontrollen durch.

Nicht immer lief es aber rund im Radsportleben Rosiejaks. Aufgrund einer Kooperation von Städten und Radsportfunktionären im Ruhrgebiet unter Leitung der damaligen Oberbürgermeister Samtlebe aus Dortmund und Kuhlmann aus Gelsenkirchen – im Fußball unvorstellbar – wurde Ende der 80er Jahre die „NRW-Rundfahrt der Radamateure“ ins Leben gerufen. Abwechselnd startete die Rundfahrt in Gelsenkirchen und kam nach fünf Tagen in Dortmund ins Ziel oder umgekehrt. Damals noch mit Nationalmannschaften und regionalen Teams bestückt, galt die Rundfahrt schon bald organisatorisch als eine der herausragenden Veranstaltungen in NRW und in Radsportdeutschland. Viele Fahrer sollten nur wenige Jahre später die Etappen der Tour de France oder des Giro d´Italia mitbestimmen. Bernd Gröne aus Recklinghausen, im Team „Westfalen“ am Start, holte sich sogar 1988 die Silbermedaille beim olympischen Straßenrennen in Seoul.

Alles ging gut, bis sich das Finanzamt bei Rosiejak, mittlerweile ehrenamtlicher Vorsitzender des Trägervereins der Rundfahrt, meldete. Der damalige Schatzmeister als Vorstandskollege Rosiejaks hatte notwendige Steuerzahlungen nicht geleistet und Rosiejak wurde in die Privathaftung von einer viertelmillion Deutsche Mark genommen. Begleitet von zahlreichen gesundheitlichen Problemen konnte der immer noch im Beruf stehende Zweiradkaufmann, der die Veranstaltung in seiner Freizeit organisierte und noch nicht einmal seine Reisekosten abrechnete, Kontakte im Sport und der Politik aktivieren. Trotzdem musste er mit 60 Jahren noch rund 100.00 DM an die Finanzverwaltung überweisen, obwohl ihn keine Schuld an der Situation traf. Selbst die damals neue WDR-Sendung „Aktuelle Stunde“ lud Rosiejak ins Düsseldorfer Studio ein um zu berichten. Nur wenige wahre Freunde blieben damals übrig, die ihm den Rücken stärkten, genauso wie er sich auf den Halt in seiner Familie verlassen konnte.

Im Laufe seines langen Radsportlebens freute sich der immer bescheidende Westfale aber auch über zahlreiche Ehrungen (auch, wenn er es nicht immer zugab). Verdiente Persönlichkeit des Sports in Gelsenkirchen, Ehrenvorsitzender im Radsportverein Pfeil Erle und im Radsportbezirk Nord-Westfalen sowie die Ehrenmitgliedschaft im Radsportverband NRW wurde ihm verliehen. Er erhielt das Bundesverdienstkreuz und wurde mit der Goldenen Ehrennadel mit Brillanten des Bundes Deutscher Radfahrer und des Radsportverbandes NRW sowie mit der goldenen Ehrennadel von Gelsensport ausgezeichnet. Als einer der ganz wenigen NRW Radsportfunktionäre erhielt er aus den Händen des damaligen NRW-Ministerpräsidenten Steinbrück die höchste Sportauszeichnung Nordrhein-Westfalens, die NRW-Sportplakette.

Wie könnte es bei einem Gelsenkirchener anders sein, hat auch er eine Verbindung zum Fußball. Rosiejak ist offizieller Namensgeber des altehrwürdigen Parkstadions.

Zwischenzeitlich haben sich die Prioritäten ein wenig verändert. Denn noch freut er sich, dass durch das „Team Stölting“ Gelsenkirchen wieder international im Radsport vertreten ist und einen so großzügigen Sponsor gefunden hat. „Immerhin fahren die gesamten Teamfahrzeuge ja mit GE durch Europa!“ Hier verfolgt Rosiejak die Ergebnisse des Teams schon sehr genau.

Nachdem er so viel im Sport erlebt hat, unternimmt er nun zahlreiche Reisen im Jahr und lässt es bei einem guten Glas Rotwein etwas ruhiger angehen. An seiner Seite in Westerholt ist stets seine rührige Partnerin Christa Zimmek zu finden, mit der er nach dem frühen Tod seiner Frau eine neue Lebensgemeinschaft gegründet hat, die beiden sehr gut tut. Und dies hoffentlich noch viele, viele Jahre.

 

(Stefan Rosiejak)